Wirtschaftsgeschichte des Rhein-Main-Gebietes 1866/71 bis 1945 – Ein eigenes Forschungsprojekt

Die Ausgangslage

Der Begriff Rhein-Main-Gebiet für die Region zwischen Aschaffenburg im Osten, Wiesbaden und Mainz im Westen, Darmstadt im Süden und Friedberg im Norden ist nun seit über 100 Jahren bekannt. Immer wieder wird das Rhein-Main-Gebiet als eine besondere Region bezeichnet oder es wird, wie schon in den 1920er Jahren, überschwänglich formuliert:

„Das Rhein-Main-Gebiet erweist sich als Lebensraum schlechthin.”
(Behrmann, Walter; Maull, Otto (Hg.): Rhein-Mainischer Atlas für Wirtschaft, Verwaltung und Unterricht, Frankfurt 1929.)

Eine für die historische Forschung sinnvolle Definition des Gebietes und eine darauf aufbauende Analyse der Gründe, warum sich diese an Rohstoffen arme Region im Laufe der Hochindustrialisierung zu einer der wirtschaftlich führenden Regionen in Deutschland und in Europa entwickelt hat, gibt es jedoch bisher noch nicht.

Vermutungen und grobe Abschätzungen bestimmen die Diskussion und führen zur Bildung von Mythen. Faktenbasierte Analysen, die den Aufschwung der Region nach 1871 dokumentieren, sind bisher nicht vorhanden.

Was aber trieb die Wirtschaft des Rhein-Main-Gebietes voran?

Auf den ersten Blick schlechte Voraussetzungen:

  • In der Region finden sich keine für die Industrialisierung typischen Leitsektoren, da keine wesentlichen Rohstoffvorkommen vorhanden sind.
  • Die Wirtschafts- und Sozialstatistik der Region weist keine signifikanten Unterschiede zum Reichsdurchschnitt auf.
  • Aber: Aus der Wirtschaftsstatistik der Region wird ersichtlich, daß das Rhein-Main-Gebiet im wirtschaftlichen Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft dem Reichsdurchschnitt immer einen Schritt, d.h. eine Zählung, voraus war.

Die Folge:

  • Klassische Erklärungsmuster des regionalen Wirtschaftswachstums, z.B. über Standorttheorien, sind kaum anwendbar bzw. versagen bei der Betrachtung des Wandels im Rhein-Main-Gebiet.

Die Kernfragen:

  • Was brachte das Rhein-Main-Gebiet aus seiner Nachzüglerposition unter den Industrieregionen um 1871 an die Spitze der Industriegebiete im Jahr 1945?
  • Was sind die besonderen Wachstumsfaktoren der Region am Zusammenfluß von Rhein und Main?

Einige Thesen:

  • Die Innovationstätigkeit der Menschen war die entscheidende Triebkraft des wirtschaftlichen Fortschritts in der Region.
  • Dabei ist es nicht ein Typus von Innovationen, die besonders hervorsticht, sondern der geschickte Mix aus Produkt-, Prozeß- und sozialen Innovationen prägte die Region.
  • Zudem erleichtert die politische und gesellschaftliche Heterogenität das wirtschaftliche Wachstum der Region.

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