Das Fernstudium hat in Deutschland eine fast 150-jährige Tradition. Dabei war das Spektrum der Inhalte im Fernunterricht schon in den Anfangsjahren sehr breit: Ob Sprachunterricht oder technische Schulungen, ob Angebote zu Hobby- und Freizeitthemen oder Weiterbildung zu sehr speziellen fachlichen Themen, der Fernunterricht, wie das nicht-akademische Fernstudium korrekt bezeichnet werden sollte, bot von Beginn seiner Existenz, spätestens aber ab den 1860er Jahren für jeden passende Angebote. Die Teilnehmer konnten sich sogar schon sehr früh auf schulische Abschlüsse oder Prüfungen im Bereich der Fremdsprachen mit Hilfe von Fernlehrgängen vorbereiten.
So bunt wie das Spektrum der Fernlehrgänge im Fernunterricht und im Fernsstudium waren auch die Zielgruppen und Teilnehmer des frühen Fernunterrichts: Vorrangig sind die Berufstätigen als Fernschüler zu nennen, die sich am Abend und am Wochenende die Zeit zur Fortbildung nahmen. Diese Gruppe bildete von Anfang an die Mehrheit der Teilnehmer und stellt auch jetzt die ganz überwiegende Anzahl der Fernlernenden. Aber auch andere Zielgruppen wurden und werden auch heute noch angesprochen: Seit 1967 gibt es deshalb in der Bundesrepublik beispielsweise ein Programm, das Strafgefangene mithilfe von Fernlehrgängen und Fernstudium auf neue schulische und berufliche Qualifikationen vorbereiten soll. Weitere Personengruppen, die von staatlichen Förder-Maßnahmen stark profitierten, waren Blinde, Körperbehinderte und Seeleute, so zeitgenössische Beschreibungen.
Zwar sind die Namen der meisten Anbieter im Bereich Fernunterricht und Fernstudium von damals – zu nennen sind hier exemplarisch Rustin, Bonneß und Hachfeld oder Simon Müller – vom Markt schon lange verschwunden oder
widmen sich wie Langenscheidt heute anderen Themen, die Grundidee blieb aber über die Jahre erhalten. Ziel der frühen, in der Regel privatwirtschaftlich geführten, Unternehmen war es, Teilnehmer, die aus zeitlichen, finanziellen oder räumlichen Gründen keine Chance hatten, am Präsenzunterricht teilzunehmen, eine Möglichkeit zu eröffnen, sich unabhängig zumindest von zeitlichen und räumlichen Restriktionen zu bilden. Die Inhalte dieser Bildung waren dabei so facettenreich, wie das Leben der Menschen selbst.
Mit den Jahren der Weimarer Republik erlebte das nicht-akademische Fernstudium einen ersten, breiteren Aufschwung, da durch die Reintegration der Kriegsteilnehmer in das Wirtschaftsleben und die Notwendigkeit der rascheren Anpassung an die Veränderungen des Arbeitsmarktes ein gestiegener Bedarf an Fort- und Weiterbildung notwendig wurde. Doch bereits kurz nach 1933 entstand ein Misstrauen in die private Bildung aus der Ferne von staatlicher Seite. Fernunterricht und Fernstudium sowie seine Teilnehmer führten deshalb ein Schattendasein im Dritten Reich. Eine staatliche Förderung fand nicht mehr statt, staatliche Einrichtungen sollten die Aufgabe der privatwirtschaftlichen Unternehmen übernehmen und die Inhalte der Fernunterrichtslehrgänge sollten mit politischen Themen angereichert werden.
Dies änderte sich sowohl in der DDR, als auch in der Bundesrepublik Deutschland ab 1950. War es in der DDR das akademische Fernstudium, das relativ schnell nach der Gründung des Staates etabliert wurde, entwickelte sich im Westen das private nicht-akademische Fernstudium, der klassische Fernunterricht, zu einem kleinen, aber für viele Menschen unerlässlichen Weg zur Aufstieg und Wohlstand. Unternehmen wie die Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD), Christiani, das schon kurz vor dem Dritten Reich entstanden war, AKAD und das Hamburger Fernlehr-Institut von Walter Schultz-Rahe etablierten sich schnell und anfangs auf jeden Fall erfolgreich auf den Markt.
Während der Langen Fünfziger Jahre expandierte auch die Branche des Fernunterrichts oder des Fernstudiums sehr deutlich. Erst Ende der 1960er Jahre kam es zu einem deutlichen Bruch im Wachstum der Branche. Die Gründe hierfür waren unter anderem schlechte vertragliche Rahmenbedingungen der teilweise auch inhaltlich und didaktisch schlecht konzipierten Kurse und übertriebene Marketing-Versprechen der Anbieter. Zudem erfolgte eine erste Welle der Akademisierung im Bereich der Techniker und der graduierten Ingenieure, die einen wesentlichen Teil der Kundschaft der Fernlehrinstitute ausmachten. Die Gründung von Fachhochschulen war eine Folge dieser Entwicklung. Eine weitere Konsequenz war eine immer weiter voranschreitenden, aber für die Verbesserung der Qualität der Angebote zwingend notwendige, staatliche Regulierung und Strukturierung der Branche, die den Anbietern schwer zu schaffen machte. Eine besonders positive Rolle hatte dabei die Gründung der Zentralstelle für den Fernunterricht (ZFU) inne.
Die Folge dieser Entwicklung war einerseits ein wirtschaftlicher Niedergang der Branche aus der nur wenige, qualitativ hochwertige, innovative und wirtschaftlich stabilste Unternehmen als Überlebende hervorgingen. Andererseits beginnt auch in Westdeutschland die Etablierung des akademischen Fernstudiums mit der Gründung der Fernuni Hagen und die staatliche Förderung von Weiterbildung z.B. durch BAFÖG.
Mit der Wiedervereinigung 1990 kam es zu einen explosionsartigen Wachstum in der Branche. Die Gründe sind im Wesentlichen zwei: Zum einen hatten die Bürger der neuen Bundesländer einen immensen Nachholbedarf auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kenntnisse, zum anderen waren Fernunterricht und Fernstudium in der ehemaligen DDR bekannte und weithin akzeptierte Formen des Lernens. Das Spektrum der in den neuen Bundesländern nachgefragten Fernlehrgänge reichte von Kursen, die auf schulische Abschlüsse vorbereiten sollten, bis hin zum akademischen Fernstudium.
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts etablierten sich Fernunterricht und Fernstudium in Deutschland immer mehr und neben den privatwirtschaftlichen Instituten und Hochschulen engagieren sich auch staatliche Einrichtungen im Bereich des Fernunterrichts.
Wie sich der Fernunterricht in Deutschland bis zur Etablierung des E-Learning im Detail entwickelt hat, wer die wichtigsten Macher waren, welchen Fernlehrgänge in den verschiedenen Epochen eine Rolle gespielt haben und wer die Fernschüler in den einzelnen Phasen waren, stellt das Buch von Geschichte des Fernunterrichts von Heinrich Dieckmann und mir detailliert heraus.
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Buchbesprechung auf www.fernstudiumcheck.de.
Buchbesprechung in ZHWB · Zeitschrift Hochschule und Weiterbildung · 2018 (1)