Studentische Kameradschaften
Die Jahre der Weimarer Republik waren für das Korporationsstudententum von vielen unterschiedlichen, teilweise gegenläufigen Entwicklungen gekennzeichnet. Zum einen verschrieben sich immer mehr Bünde dem Farbentragen, der Mensur und wollten Mitglieder in den großen Korporationsverbänden werden. Eine Stärkung der korporationsstudentischen Ideale war die Folge. Zum anderen drang im Laufe der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre aber auch die Parteipolitik in alle studentischen Verbände ein. Führte die erstgenannte Tendenz zu einer stetigen Expansion und
zu einem Aufblühen des Verbindungswesens im Laufe der Weimarer Republik, brachte die zweite Entwicklung eine Vielzahl von Konflikten mit sich. Sowohl innerhalb der Bünde als auch im Verhältnis zwischen den Mitgliedsbünden einzelner Dachverbände ergaben sich bereits vor 1933 politische Spannungen, die nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus am Ende des Wintersemesters 1932/33 in einem allgemeinen Wettlauf in das Lager der Nationalsozialisten gipfelten. Aus Angst vor Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung oder aus der Hoffnung heraus, man könnte aufgrund einer systemkonformen Haltung Vorteile bei der Nachwuchsarbeit haben, standen deshalb viele Korporationen Veränderungen, die von der nationalsozialistischen Regierung gefordert wurden, aufgeschlossen gegenüber.
Zu diesen Neuerungen zählte besonders auch die Verwirklichung des Konzepts des Kameradschaftshauses. Seine Geschichte, das heißt sein ideengeschichtlicher Hintergrund und die praktische Verwirklichung, sollen am Anfang dieser Arbeit stehen, denn noch heute besteht in weiten Kreisen Unklarheit über die Entwicklung der Kameradschaften auf den Häusern der Studentenschaft und der Korporationen.
Anhand der Tendenzen an einer typisch preußischen Hochschule, hier der Philipps-Universität Marburg, soll die Entwicklung des Kameradschaftswesens dokumentiert werden, denn gerade für die Universität Marburg und ihre Studentenschaft sind alle Facetten des Kameradschaftswesens auf engstem Raum aufgetreten und dokumentierbar. Ähnliche Entwicklungen sind an allen anderen Hochschulorten des Deutschen Reichs in gleicher Form attestierbar, so daß die Ergebnisse der Darstellung leicht auch auf andere Hochschulorte und Korporationstypen anwendbar und
übertragbar sind.
Im Anhang soll dann auf die Kameradschaften, die sich in den verschiedenen Phasen der Entwicklung des Kameradschaftskonzepts auf den Häusern der Landsmannschaften in der DL und der Turnerschaften im VC gebildet haben, eingegangen werden.